Unser Buch des Monats März 2025
Ulrich Unger: „Der Weg zur INTERFLUG“ - Die zivile Luftfahrt in der SBZ und in der DDR von 1945-1955
Die außerordentlich interessante Arbeit verblüfft durch ihre akribische Recherche bis auch in die allerletzten belegbaren Einzelheiten.
Es ist nicht nur die Geschichte der DDR-LUFTHANSA und der daraus abgeleiteten INTERFLUG, sondern die der gesamten „zivilen“ DDR-Luftfahrt, wobei auch die militärische Luftfahrt teilweise mit einbezogen ist, soweit die vormilitärische Ausbildung der GST (verzahnt mit dem Segelflug in der SBZ & DDR) sowie auch teilweise die LSK der NVA mit einbezogen werden, sofern es Berührungspunkte zu den anderen Einrichtungen gab.
Es beginnt nicht mit der Niederlage des Deutschen Reiches im Mai 1945, sondern bereits mit dem Ankommen der sowjetischen Armee im Osten Deutschlands und nach der Niederlage mit dem Aufbau der zivilen Sowjetischen Luftfahrt auf dem Gebiet der SBZ, also Deutsches Reich minus Ostpreußen, Pommern und Schlesien.
Ausführlich wird auch eingegangen auf parallele Entwicklungen in den Westzonen bzw. der späteren BRD. Und es kommt immer wieder zu der Klage, wie der „böse Westen und Adenauer“ die Kontrollrats-vereinbarungen gebrochen hätten usw. usf., und die Berliner Luftbrücke ein Ausdruck dieses Verhaltens gewesen wäre. Ob falsch oder richtig, ist hier nicht wichtig. Der Rezensent, als gelernter „Wessie“ mit tiefen preußischen und gesamtdeutschen Wurzeln, findet diese Sichtweise interessant, dass sie über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung sich so gehalten hat. Man sieht also, das die Sozialisation in Ost und West doch ihre Spuren hinterlassen hat. Das kommt auch im Vorwort des 2. Bandes von Hans-Dieter Kallbach (der INTERFLUG-Pilot der Iljuschin Il-62, die er in Stölln-Rhinow landete) wiederholt vor.
Interessant ist weiterhin die anerkannte Herzlichkeit, die den sowjetischen Piloten und Mechanikern nachgesagt wird bei der Ausbildung neuer deutscher Piloten für die Verkehrsluftfahrt, die wohl in Westdeutschland mit den ausländischen Piloten als Fluglehrer für die neue LUFTHANSA (West) kaum vorgekommen sei. Und kaum hier bekannt war bisher, dass die DDR auch auf ein großes Reservoir ehemaliger Luftwaffen-Piloten zurückgegriffen hat (ebenso wie die im Westen). Ob eine gewisse Linientreue nachgewiesen werden musste, ist nicht ganz klar.
Hier ist auch noch ein Wort zum Westen zu sagen: Die etwas größere Teilsouveränität der BRD erst von 1949-1955 und dann etwas mehr ab 1956: Adenauer berichtete später einmal, dass er diese ab 1956 genehmigte größere Teilsouveränität schon 1953 von den USA hätte haben können, wenn er dauerhaft auf eine deutsche Luftfahrtindustrie verzichtet hätte. Das wollte er aber nicht (Gott sei Dank!). Aber der DDR ging es ähnlich: Die ab etwa 1955 begonnene Luftfahrtindustrie der DDR (Junkers Rückkehr aus der SU) mit Lizenzbau der Iljuschin Il-14 und später mit dem Programm der Baade (Junkers) 152 wurde dann auch um 1960 rigoros von der SU gestoppt.
Im Westen musste Conrad Adenauer den Amis 1955/56 zugestehen, dass Importe von Flugzeugen der allgemeinen Luftfahrt aus den USA frei von der Umsatzsteuer (heute Mehrwersteuer) von 14 % nicht erhoben werden durfte. Somit hatten in Deutschland gefertigte Flugzeuge den Kostennachteil, eine Überschwemmung mit Cessna´s und Pipers u.a., war die Folge. So kann man Konkurrenten auch klein halten.
Und dann geht es weiter: Die gute Sowjet-Union habe bereits 1953 mit den Reparationsforderungen aufgehört. Na, da wird denn auch nicht mehr viel zu holen gewesen sein. Allerdings (so sagt die Fama), dass die SU mit Niedrigpreisen bei ostdeutschen Werften ihre Fischereiflotten erneuerten, usf.. Auch kommt nicht so richtig herüber, wie die gesamte Luftfahrt letztendlich aus dem Staatssäckel finanziert wurde, ob die Verkehrsfliegerei eher ein Prestigeobjekt (wie zunächst auch die Lufthansa West) war oder ein Zuschussunternehmen. Denn es gilt letztlich für alle Luftfahrtunternehmen: Man kann schnell ein kleines Vermögen machen, wenn man nur ein ausreichend großes einsetzt!).
Aber diese Bemerkungen sollen keine Mäkelei sein, sondern nur auf die verschiedenen Blickwinkel hin-weisen, die Ost und West nach wie vor haben. Unterm Strich bewundere ich diese einfach großartige Arbeit sehr und bin sehr gespannt, ob es noch einen Band 3: INTERFLUG von 1963 bis 1990 geben wird.
Ulrich Unger: „Der Weg zur INTERFLUG“, die zivile Luftfahrt in der SBZ und in der DDR von 1945-1955 (Band I, 2023) und von 1956-1963 (Band II, 2024), Verlag Mediascript, Berlin
Wilfried Crome, Jahrgang 1940
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