Modell des Monats Febreuar 2024 Lockheed F-104 G
Gemischte Gefühle…
Die Lockheed F-104 G ´Starfighter´
Vom Original zum Modell
Ein eigenständiger Teil der Sammlungen des Luftfahrtmuseums Hannover-Laatzen sind die mehr als 1.000 Maßstabsmodelle, vornehmlich der internationalen Standards 1/72, 1/48 und 1/32.
Solche originalgetreuen Miniaturen ermöglichen Betrachtern musealer Technikgeschichte den „Überblick“, nicht allein auf das einzelne Exponat (mitunter sogar als einzige Möglichkeit der realen dreidimensionalen Schau, wenn es kein erhaltenes Original mehr gibt), sondern auch auf Entwicklungslinien des Flugzeugbaus durch hier mögliche Reihung und Gegenüberstellung. Manchmal schließen sie sogar Lücken in der Präsentation der Originale. Ihre kunsthandwerkliche Qualität allein ist ein Schauvergnügen.
Heute stellen wir Ihnen in unserer Reihe ´Modell des Monats´ eine der bekanntesten, technisch wegweisenden und zugleich umstrittenen Konstruktionen der Luftfahrtgeschichte vor: Die F-104 ´Starfighter´, das erste echte Mach 2,2-Flugzeug und mehrfacher Weltrekordhalter. Insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland wurde der Militärjet jedoch auch zum Synonym für unbeherrschbare Hochtechnologie.
Die Modelle: Rund ums Vorbild…
Rund um unser Original, eine F-104 G der Luftwaffe, zeigen wir mehrere Maßstabsmodelle dieses Kampfflugzeuges aus den 1950er Jahren. Fast alle Bausatzhersteller führen diesen Typ seit nunmehr rund sechzig Jahren in diversen Maßstäben im Programm; hierzulande waren - wenn wir uns recht erinnern - Airfix, FROG und Revell die gefragtesten Anbieter in 1/72, Monogram brachte einen hervorragenden 1/48-Kit auf den Markt; Hasegawa aus Japan Ende der Siebziger Jahre einen überragend detaillierten Bausatz in 1/32.
Und die kleine, in Hildesheim beheimatete Firma Dahlmann legte um 2000 mehrere ehemalige Faller-Flugzeugmodelle aus den 1950/60er Jahren neu auf, darunter die F-104 G. Teils überarbeitet, vermittelten die im deutschen Architekturmaßstab 1/100 gehaltenen Bausätze eine charmante Reminiszenz an die großen Zeiten des Modellbaus.
Das Original: Wundervogel, Witwenmacher
Wo Piloten heute noch schwärmen, es hätte nie ein faszinierendes Fliegen gegeben, sagen andere, es war ein Milliardengrab und ärger noch: ein 1a Witwenmacher. Und beide Seiten haben wohl recht.
Aber fangen wir mal vorne an. Im Koreakrieg gab´s Schocks am laufenden Band für die USA und ihre Verbündeten. Ein besonders heftiger war die MiG 15 (steht im Original in unserem Museum!), ein sowjetrussischer Abfangjäger, der einzig vom besten Jäger der US Air Force, der F 86, halbwegs zu kontrollieren war. So nah am eigenen Leistungslimit hatte man sich die „Roten“ nicht vorstellen können oder wollen. Die Antwort hob am 4. März 1954 vom Boden ab: die Lockheed F-104 ´Starfighter´. Ein Superlativ, der zeigen sollte, wo der Hammer hängt: im Grunde ein serienreifes Rekordflugzeug, dessen Stärken zwar nicht die Antwort auf die MiG 15 war, aber den Anspruch der USA als führende Weltmacht militärtechnisch untermauerte.
Der einsitzige, einstrahlige Abfangjäger war das erste Flugzeug, welches doppelte Schallgeschwindigkeit, also Mach 2,2 erreichte, und das erste, welches zugleich Weltrekorde im Steigflug, der Gipfelhöhe (31.000 m!) und der Geschwindigkeit (bis 2.717 km/h!) hielt. Eigens zu diesem 17 m langen, sehr schlanken Flugzeug mit extrem dünnen trapezförmigen Tragflächen von nur 6,36 m Spannweite wurde eine Raketenbewaffnung eingeführt, die dann zum Standard der NATO wurde: die Kurzstreckenwaffe ´Sidewinder´ (Klapperschlange) mit einem Infrarot-Zielsuchkopf. Ebenso wurde das Axialstrahltriebwerk General Electric GE J79 GE-11A speziell zum Starfighter entwickelt (übrigens vom deutschstämmigen, ehemaligen Luft Hansa-Techniker Gerhard Neumann), welches für den Prototypen und die ersten Serienmaschinen zu spät kam, in der Folge aber neben der F-104 auch die F-4 Phantom und die B-58 Hustler antrieb.
Aufgabenhäufung
Ende der 1950er Jahre bot Lockheed dann eine Version der F-104 als Mehrzweckkampfflugzeug an, Die USAF lehnte dankend ab, zog ihre F-104 der Abfangjagdversionen A bis D auch bereits um die Mitte der 1960er Jahre aus dem Einsatz, aber für die Verbündeten der USA von Kanada über Japan bis zur Bundesrepublik Deutschland bot sich in der Beschaffung und im angebotenen Lizenzbau die Möglichkeit, Hochtechnologie zu erwerben und rüstungstechnisch zu den USA aufzuschließen.
Doch zeigte sich mit Einsatzbeginn dieser Version G 1960, dass man aus einem Schönwetterabfangjäger eben kein Mehrzweckkampfflugzeug zaubern kann und speziell die deutsche Luftwaffe nach erzwungenen fast 15 Jahren Abstinenz weder technisch noch personell bereits wieder in der Verfassung für einen solchen Spagat zwischen Mach 2,2 und der Aufgabenhäufung in engen europäischen Lufträumen bei häufigen Schlechtwetterlagen war. Ein mit hierzu notwendigen strukturellen Verstärkungen, Applikationen und Waffen vollgestopfter Apparat sollte zugleich Jäger, Jagdbomber, Aufklärer und Marinekampfflugzeug sein – An diesem überzogenen Anspruch zerbrachen Technik und Vertrauen: Knapp ein Drittel der dann insgesamt 917 für die Bundeswehr beschafften F 104 G fielen vom Himmel, 116 Piloten verloren ihr Leben, einige weitere überlebten schwer verletzt. Diese kriegsmäßige Verlustrate führte zu einer massiven Verunsicherung in Bundeswehr und Gesellschaft und löste die bis heute größte Rüstungskrise der Bundesrepublik aus, die nur mit grundlegender Analyse, hohen Investitionen und weitreichenden Maßnahmen zu überwinden war. So wurde der „Hammer“ zum Amboss, auf den nun alle einschlugen – denn jetzt hatten es natürlich alle vorher gewusst…
Ikone und Symbol
Als Nachfolger kam Anfang der 1970er die F-4 Phantom II zur Luftwaffe, die sich hervorragend bewährte. Der Starfighter jedoch, konstruktiv überarbeitet und mit inzwischen „richtigem Verständnis“ geflogen, tat noch bis 1991 unauffällig Dienst in der Luftwaffe, wurde hierzulande seinen Ruf als Unglücksvogel und Witwenmacher aber nie mehr los. Bei allen anderen Nutzern des Typs hatten sich die Flugunfälle übrigens auf einem tolerablen Niveau bewegt, die Italiener musterten als letzte Nation ihre F-104 sogar erst um die Jahrtausendwende aus.
Was bleibt unterm Strich? Gemischte Gefühle. Das aerodynamisch und technologisch faszinierende Flugzeug – Ikone der 1950er Jahre und des Kalten Krieges – trug durch seinen Einsatz, aber ebenso den damit verbundenen frustrierenden Opfergang fraglos zur Emanzipation der Bundesrepublik und Ihrer Streitkräfte bei, forderte wie förderte neben einer mentalen Reifung auch Krisenbewältigungsstrategien und eine kritisch-konstruktive Evaluation von Militärtechnik in Entwicklung und Einsatz. So bleibt die F-104 G – ob in Original oder Modell – stets auch ein Symbol für den hohen wie mitunter schmerzhaften Preis von Freiheit und Wehrhaftigkeit.
Hereinspaziert!
Konnten wir Sie neugierig machen? Dann besuchen Sie uns im Luftfahrtmuseum – über 40 Sport-, Schul-, Passagier- und Jagdflugzeuge, Hubschrauber und Segelflugzeuge im Original und originalgetreuen Nachbau, eine große Motoren- und Turbinenabteilung, und gut 1.000 Maßstabsmodelle warten auf Sie!
sb
Hinweis für den Leser: Die Original F-104 G wurde bei Lockheed in Palmdale/Cal/USA gebaut und stammt nicht aus dem großen europäischen Nachbauprogramm (Fokker, SABCA, Fiat, Heinkel und Messerschmitt). Bei Führungen erlauben wir ins immer das Beispiel MiG-15 & F-104 und weisen auf die Qualität der Bauausführungen mit Ertasten der Spalte und Oberflächen hin: MiG: Dorfschmiede, Lockheed: Mercedes!.
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