logo3

Modell des Monats März 2024 Die Henschel Hs 123

Immer vorne mit dabei…

Die Henschel Hs 123

 

Vom Original zum Modell

Ein eigenständiger Teil der Sammlungen des Luftfahrtmuseums Hannover-Laatzen sind die mehr als 1.000 Maßstabsmodelle, vornehmlich der internationalen Standards 1/72, 1/48 und 1/32.

Solche originalgetreuen Miniaturen ermöglichen Betrachtern musealer Technikgeschichte den „Überblick“, nicht allein auf das einzelne Exponat (mitunter sogar als einzige Möglichkeit der realen dreidimensionalen Schau, wenn es kein erhaltenes Original mehr gibt), sondern auch auf Entwicklungslinien des Flugzeugbaus durch hier mögliche Reihung und Gegenüberstellung. Manchmal schließen sie sogar Lücken in der Präsentation der Originale. Ihre kunsthandwerkliche Qualität allein ist ein Schauvergnügen.

In diesem Beitrag stellen wir Ihnen in unserer Reihe ´Modell des Monats´ den Ganzmetall-Doppeldecker Henschel Hs 123 vor, erster Sturzkampfbomber der zweiten deutschen Luftwaffe und dann über fast ein Jahrzehnt äußerst erfolgreich vor allem als Erdkämpfer, aber auch als Nahaufklärer sowie Stör- und Aushilfsschleppflugzeug verwandt.

 

Die Henschel Hs 123 ist in diversen Exponaten des Maßstabs 1/72 im Museum vertreten, hier im Bild als Stuka bei der Legion Condor im spanischen Bürgerkrieg.

Die Modelle: Vorbildgetreu!

Das Luftfahrtmuseum zeigt den Typ in fast allen Einsatzarten, Markierungen und Farbgebungen in seinen 1/72-Modellvitrinen beider Hallen, von den ersten Serienmaschinen der im Aufbau befindlichen Luftwaffe über die Legion Condor des spanischen Bürgerkrieges bis zu den Schlachtflugzeugen im Russlandfeldzug, von Sonderlackierungen bis zum "angegrauten Veteranen".

Fast immer liegt den Miniaturen dabei der klassische Bausatz der britischen Traditionsfirma Airfix zugrunde. Über Jahrzehnte lediglich mit neuen Schiebebildersätzen versehen, können Passform und Detaillierung dieses Kits auch heute noch bestehen und bieten dem erfahrenen Modellbauer zugleich Möglichkeiten einer Ergänzung und Optimierung im Eigenbau.

Das Original: Die Idee

Wie bringt man mit möglichst geringem Aufwand an Material und Personal eine Bombe mit höchstmöglicher Präzision bei geringer eigener Angriffsfläche ins Ziel? Die US-amerikanische Kriegsmarine experimentierte hierzu um 1932 beim Aufbau ihrer Flugzeugträgerflottillen mit Sturzkampfflugzeugen. Japan, Frankreich, Polen folgten. Ernst Udet, erfolgreichster überlebender Jagdflieger des ersten Weltkrieges und später Generalluftzeugmeister der deutschen Luftwaffe, brachte diese konstruktive Idee eines "Stuka" von einer USA-Reise nach Deutschland mit. Für die im Aufbau befindliche zweite deutsche Luftwaffe hatte diese Technik punktgenauer Angriffe bei geringem Aufwand eine hohe Attraktivität, passte sie doch perfekt zur sich entwickelnden Strategie des Blitzkrieges und vermochte die materielle Überlegenheit der europäischen Nachbarn auszugleichen. Mehrere eingeführte deutsche Flugzeugbauer entwickelten daraufhin solche Flugzeuge. Doch der erste volltaugliche Versuch kam von einem Neuling in der Branche…

Eine der ersten Serienmaschinen der „123“ in der deutschen Luftwaffe zeigt dieses Modell. Sehr schön im Bild der bullige BMW-Sternmotor und die 2-Blatt-Luftschraube.

Tradition & Moderne

Die Henschel-Werke in Kassel gingen aus dem 1810 gegründeten Maschinenbau- und Metallguss-Unternehmen Henschel & Sohn hervor. Im 19. Jahrhundert Europas größter Lokomotivhersteller, produzierten die Henschels neben Dampfmaschinen und weiteren Verbrennungsmotoren dann auch Lastkraftwagen und Autobusse mit großem Erfolg, immer auch Rüstungsgut. In den 1930er Jahren kam schließlich die Sparte Flugzeugbau hinzu, welche in Berlin-Schönefeld angesiedelt wurde. Die deutsche Wiederbewaffnung und Aufrüstung unter den Nationalsozialisten ließ dort neben Lizenzbauten u.a. der zivilen Junkers W 34 Eigenentwicklungen von Übungs-, Aufklärungs- und Bombertypen entstehen. Der erste von insgesamt drei sehr erfolgreichen Mustern war die Hs 123.

Entworfen 1934 von Friedrich Nicolaus als einsitziger Ganzmetall-Doppeldecker (streng genommen ein Anderthalb-Decker) in Schalenbauweise mit offenem Cockpit und starrem Fahrwerk, angetrieben von einem verkleideten 9 Zylinder-Sternmotor BMW 132, startete der Typ 1935 zum Jungfernflug. Als Sturzbomber war die Maschine strukturell ungemein robust ausgelegt - wir erinnern uns, die Henschels bauten Lokomotiven - und stattete die deutsche Luftwaffe ab 1936 mit einem ersten "Stuka"-Typen aus.

Bewährt

1937 in einigen Exemplaren der Baureihe A-1 zur Legion Condor im spanischen Bürgerkrieg überstellt, bewährte sie sich dort so umfänglich, dass die Einsatzerfahrungen im Gegensatz zu fast allen anderen eingesetzten deutschen Typen zu keiner Modifikation führte: es gab nichts zu verbessern...

Durch Überlassung und späteren Kauf kamen insgesamt 28 Exemplare zur nationalspanischen Luftwaffe. Weitere 12 Maschinen wurden nach China exportiert.

„Stark gebaut“ – und damit auch ausgesprochen beschussfest, was ein Kampfflugzeug bei seinen Piloten naturgemäß sehr beliebt macht…

Inzwischen lief jedoch die ebenfalls in Spanien erprobte Junkers Ju 87 als neues Standardmuster den Stuka-Verbänden der Luftwaffe zu und die Hs 123 rückte in die zweite Reihe, wurde in der Folge zur Nahunterstützung der Heeresverbände vorgesehen, oder wie der offizielle, martialische Sprachgebrauch formulierte: zum "Schlachtflieger". In dieser Funktion als Erdkämpfer nahm eine Luftwaffengruppe mit diesem Typ am Polenfeldzug 1939 ebenfalls erfolgreich teil und wurde daraufhin obschon technisch überholt auch im Westfeldzug gegen Belgien, Frankreich und die Niederlande 1940 eingesetzt. Richtig geraten: Mit so großem Erfolg, dass die geplante Ausmusterung des Typs bzw. Überstellung zu Flugschulen erneut verschoben wurde.

Immer vorne mit dabei

Der Balkanfeldzug vom Frühling 1941 sah die Schlachtfliegergruppe wiederum unter schwierigsten geografischen und klimatischen Bedingungen zuverlässig operieren, während die neueren und leistungsstärkeren, jedoch von optimalen Umständen abhängigen Typen den Gegebenheiten Tribut zollten. Und hier begannen die Heeresverbände eine Verstärkung der Schlachtfliegerverbände insbesondere mit der Hs 123 zu fordern. Dies allerdings umsonst – im Angesicht des Erfolges der Ju 87 waren die Montagestraßen der „123“ bei Henschel bereits zurückgebaut, die Werkzeuge geschliffen worden. Nicht mehr als 265 Exemplare hatten die Fließbänder 1936 bis ´37 verlassen und schufen der Konstruktion einen über diese Zahl weit hinausragenden Ruf bei Wehrmacht und Gegnern.

Als am 22. Juni 1941 mit dem Überfall der Wehrmacht auf die verbündete Sowjetunion der Russlandfeldzug begann, zeigten sich die Hs 123 im Luftwaffenarsenal einmal mehr äußerst wertvoll. Nicht nur blieben sie technisch auch von den schwierigsten Bedingungen unbeeindruckt, sondern waren dazu in einer Vielzahl von Einsatzprofilen verwendbar – vom Stuka über die Jagdbomberrolle, Erdkämpfer, Aufklärer bis zum provisorischen Schleppflugzeug für Lastensegler. Schließlich flogen sie bis gegen Kriegsende noch nächtliche Störangriffe gegen die Rote Armee. Diese fluchte der Hs 123 – und zollte deren Wert und Effizienz großen Respekt: das wohl höchste Lob, welches ein Kampfflugzeug erwerben kann, ist das des Gegners.

Bei der Truppe auch als „Obergefreiter“ bekannt, flog die Hs 123 im Russlandfeldzug aus unmittelbarer Frontnähe neben Bombereinsätzen vor allem Nahunterstützung und bewaffnete Aufklärung.

Schließlich verlieren sich die Spuren dieses bemerkenswerten Flugzeuges in den letzten Wochen des zweiten Weltkrieges; kein Exemplar ist unseres Wissens erhalten geblieben.

Datenblatt Henschel Hs 123 A-1:

Länge: 8,33 m; Spannweite: 10,50 m; Fluggewicht: 2.110 kg; Höchstgeschwindigkeit: 342 km/h; Reichweite: 850 km; Antrieb: 1 x 9-Zylinder-BMW 132 mit max. 850 PS; Besatzung: 1, Bewaffnung (Standard): 2 x 7,9 mm MG, 4 x 50 kg-Bombe.

Unteransicht einer A-1. Der zentrale zusätzliche Außentank konnte durch eine mittelschwere Bombe ersetzt werden. Die maximale Bombenlast betrug dann 400 kg, machte die Maschine jedoch recht schwerfällig.

Konnten wir Sie neugierig machen auf unsere Sammlungen mit über 40 Originalen und originalgetreuen Nachbauten, noch einmal so vielen Triebwerken und Hunderten von Ausrüstungsgegenständen sowie unserer Modellsammlung? Dann freuen wir uns auf Ihren Besuch in der Ulmer Straße am hannoverschen Messegelände: Wir sehen uns!  sb

 


Kontakt zum Autor der Modell-des-Monats-Reihe können Sie hier aufnehmen: Autor-MdM