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Unser Modell des Monats November 2023 Ryan NYP

Interkontinental mit 1 Mann und 1 Motor…Charles Lindberghs Ryan NYP

Vom Original zum Modell

Ein eigenständiger Teil der Sammlungen des Luftfahrtmuseums Hannover-Laatzen sind die mehr als 1.000 Maßstabsmodelle, vornehmlich der internationalen Standards 1/72, 1/48 und 1/32.

Solche originalgetreuen Miniaturen ermöglichen Betrachtern musealer Technikgeschichte den „Überblick“, nicht allein auf das einzelne Exponat (mitunter sogar als einzige Möglichkeit der realen dreidimensionalen Schau, wenn es kein erhaltenes Original mehr gibt), sondern auch auf Entwicklungslinien des Flugzeugbaus durch hier mögliche Reihung und Gegenüberstellung. Manchmal schließen sie sogar Lücken in der Präsentation der Originale. Ihre kunsthandwerkliche Qualität allein ist ein Schauvergnügen.

Die Ryan NYP im Maßstab 1/72 in einer Modellvitrine der Halle 1…

Heute stellen wir Ihnen in unserer Reihe ´Modell des Monats´ das Flugzeug des ersten Nonstopfluges von New York nach Paris vor, ausgeführt als erster einmotoriger Atlantiküberflug und ebenso als erster interkontinentaler Alleinflug, geschehen im Mai 1927. Der Pilot war der junge US-amerikanische Postflieger Charles Lindbergh, seine Maschine die Ryan ´NYP´. Ein Flugzeug, das nur in einem Exemplar und für einen Flug gebaut wurde: Um Geschichte zu schreiben…

Das Modell:                In Europa selten…

1964 brachte die britische Modellbaufirma FROG einen 1/72-Kit der NYP heraus; nach deren bedauerlicher Insolvenz wurde der Bausatz ab 1977 vom russischen Unternehmen NOVO vertrieben. Ein Modell aus dieser Gussform befindet sich in einer Vitrine der Halle 1 – schräg gegenüber des originalgetreuen Nachbaues der Maschine unter dem Hallendach. Nach 2010 erschien ein Bausatz der Ryan von Robert Schneider RS Models aus Tschechien, dieser ist die wohl feinste Replik des Originals in diesem Maßstab auf dem Markt derzeit.

Die kleine, in Hildesheim beheimatete Firma Dahlmann legte um 2000 mehrere ehemalige Faller-Flugzeugmodelle aus den 1950/60er Jahren neu auf, darunter die NYP. Teils überarbeitet, waren die im deutschen Architekturmaßstab 1/100 gehaltenen Bausätze auch zur Belebung von urbanen und Eisenbahndioramen in H0 bestens geeignet – und eine charmante Reminiszenz an die großen Zeiten des Modellbaus. Auch ein solches Exemplar zeigen wir hier im Bild.

…und im originalgetreuen Nachbau unter der Hallendecke unseres Luftfahrtmuseums. Das Vorbild befindet sich im Washingtoner Luft- und Raumfahrtmuseum der USA.

 

Das Original:              Gab´s nur einmal…

Die 1926/27 von Donald A. Hall bei der Ryan Aeronautical Company aus deren Postflugzeugtypen M-1 und M-2 und unter Beteiligung des Piloten und Auftraggebers Charles Lindbergh entwickelte ´NYP´ wurde in nur einem Exemplar gebaut, erfüllte ihre Aufgabe mit Bravour und hängt heute im Eingangsbereich des National Air and Space Museum in Washington DC.

Der einsitzige abgestrebte Schulterdecker in Stahlrohrrahmen-Gemischtbauweise mit Leinwandbespannung und starrem Fahrwerk hatte bei einer Länge von 8,56 m eine Spannweite von 14,03 m und ein Abfluggewicht von 2.330 kg, über die Hälfte davon war Treibstoff. Angetrieben von einem 9-Zylinder-Sternmotor Wright J-5C ´Whirlwind´ mit 223 PS erreichte die Maschine rund 220 km/h – und sollte die Strecke von New York nach Paris nonstop bewältigen.

Geld und Geist

Im Jahr 1919 hatte der gebürtige Franzose und New Yorker Hotelier Raymond Orteig ein Preisgeld von 25.000 US-Dollar (nach heutigem Kaufwert ein Vielfaches!) für den ersten Nonstopflug zwischen Paris und New York ausgesetzt. 1926 erneuerte er dieses Angebot, der technische Fortschritt ließ ein solches Vorhaben nun möglich erscheinen. Verschiedene Piloten waren zum Versuch bereit, darunter der 24jährige Charles A. Lindbergh. Als Postflieger und Flugingenieur brachte er noch zwei weitere Voraussetzungen für ein solches Unternehmen mit: Unbekümmertheit und Pioniergeist. „Warum sollte ich nicht von N.Y. nach Paris fliegen – ich habe schließlich vier Jahre Flugerfahrung!“ Mit diesem Selbstvertrauen vermochte Lindbergh tatsächlich verschiedene Financiers in St. Louis von seiner reellen Chance zu überzeugen. 15.000 US-Dollar standen schließlich für Konstruktion und Bau eines Flugzeuges, Vorbereitung und Ausrüstung zur Verfügung, und folgerichtig zeigte das Flugzeug diesen „Unternehmungsgeist von St. Louis“ auf seinen Bugseiten: „Spirit of St. Louis“.

Die Ryan NYP in 1/100 von der Firma Dahlmann. Vor rund 25 Jahren aus den alten Faller-Formen der ´50/´60er Jahre neu aufgelegt, verraten nur die Schiebebilder das Alter des Kits…


1 Mann, 1 Motor

Die durchaus beachtliche Summe hätte allerdings kaum für eine mehrmotorige und mehrsitzige Maschine gereicht. Aber im Gegensatz zu allen Wettbewerbern und dem allgemeinen Fachurteil hatte sich Lindbergh für eine einmotorige, kompakte und leichte Konstruktion entschieden – und er wollte den Flug allein wagen. In der Ryan Aeronautical Company hatte er einen kongenialen Partner gefunden – die kleine Konstruktionswerkstätte um Frank Mahoney und Chefbauer Donald Hall saß in einer ehemaligen Fischfabrik in San Diego, Kalifornien, und war bereit, aus ihren erfolgreichen Postflugzeugen M-1 und M-2 ein Rekordflugzeug nach Lindberghs Vorstellungen zu bauen. Preis: 6.000 Dollar plus Motor… Unbezahlt blieb das Risiko, zusammen mit dem Flugzeug auch sein Renommee im Atlantik versinken zu sehen. Denn nicht nur brauchte es einen Piloten, der über dreißig Stunden wach und aufmerksam bleiben konnte, sondern neben einem Motor, der diese Zeit und rund 6.000 Kilometer zuverlässig lief, auch eine ebenso leichte wie feste Stahlrohr- und Holzkonstruktion, die stürmischem Wind, Eis und Gischt eines Weltmeeres zu trotzen vermochte. Kein anderer Flugzeugbauer in den USA war zu diesem Wagnis bereit.

Am 28. April 1927 rollte die ganz in Silber gehaltene Ryan „NYP“ (für: New York-Paris) aus dem Hangar. Die elegante Form der kleinen Maschine barg mehrere Besonderheiten. Es gab keine Frontscheibe, der Pilot hatte für die Sicht nach vorn lediglich ein Periskop und zwei Seitenfenster. Denn direkt hinter dem aerodynamisch optimal in den Bug eingebauten Motor mit Stahlpropeller lagen im Schwerpunkt des Flugzeuges die Öl- und Hauptbenzintanks. Erst dahinter befand sich das Cockpit.

Unterwegs… Unsere kleine Ryan von Dahlmann über Glas fotografiert.

Von der US-Amerikanischen Luftfahrtbehörde bekam das Flugzeug denn auch die Kennung N-X-211 zugewiesen – X steht dort bis heute für „Experimental“, also Versuchsobjekt.


Mut, Können, Glück

Am 8. Mai, zwei Tage vor dem geplanten Abflug von Kalifornien nach New York, erreichte das Team um Lindbergh die Nachricht, dass die beiden Franzosen Charles Nungesser und Francois Coli von Paris aus ihren Versuch zur Ozeanüberquerung gestartet hatten. Alle Anstrengungen, aller Aufwand schienen umsonst gewesen zu sein. Doch die beiden großen Flugpioniere blieben über dem Atlantik verschollen. Nachdenklich, aber eilig brach Lindbergh auf, stellte einen Geschwindigkeitsrekord beim Flug über die USA auf und startete am 20. Mai 1927 mit dem keinen Monat alten Flugzeug von Roosevelt Field/ N.Y. zu seinem historischen Flug.

Nach 33 1/2 Stunden im Pilotensitz und 5.810 Kilometern über den Atlantik landete er am 21. Mai 1927 um 22.22 Uhr Ortszeit in Le Bourget, Paris. Begeistert empfangen von Zehntausenden (es gab schon Radio!), hatte „Lucky Lindy“ nur einen Wunsch…zu schlafen.

Noch einmal in Originalgröße. Auch wenn sie schick und solide konstruiert aussieht - Wer traut sich, damit allein rund 6.000 km übers Meer zu fliegen?


Weltluftverkehr

Wortwörtlich über Nacht war er zu einem Helden, einer geschichtlichen Persönlichkeit geworden, zu einem der großen Luftfahrtpioniere, zum Synonym für technischen Fortschritt und den Weltluftverkehr.

Einzigartig an seiner Tat war und bleibt die Verzahnung von Mensch und Maschine, Charakter mit Technik – unnötig zu sagen: und Glück.

In Anerkennung seiner Leistung wurde er in den USA zum Fliegergeneral ernannt und blieb der Fliegerei bis zu seinem Tod 1974 treu. Seine Ryan NYP ist im Smithonian National Air and Space Museum in Washington ausgestellt.

Konnten wir Sie neugierig machen? Dann besuchen Sie uns im Luftfahrtmuseum – über 40 Schul-, Jagd-, Passagier- und Sportflugzeuge, Hubschrauber und Segelflugzeuge im Original und originalgetreuen Nachbau, eine große Motoren- und Turbinenabteilung, und rund 1.000 Maßstabsmodelle warten auf Sie! 

sb